Sextortion: Erpressung über Scham und Stigmatisierung
Die Erpressung mit vermeintlich vorhandenen, gefälschten oder echten intimen Aufnahmen, ist ein weit größeres Problem als viele meinen. Hier hilft es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und nicht auf die Erpressung eingehen, sondern aktiv werden.
Hinter dem Begriff der so genannten Sextortion, zusammengesetzt aus „Sex“ und „Extortion“ (englisch Erpressung) verbergen sich verschiedene Methoden, die allesamt gemein haben, dass sie das menschliche Schamgefühl für ihre Zwecke ausnutzen. Die bekannteste Methode beruht darauf, dass Menschen virtuell miteinander in Kontakt treten – meist über Videokommunikation. Dabei fordert die Gesprächspartnerin oder der -partner das Opfer auf, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Ein Videomitschnitt, der natürlich ohne vorherige Einwilligung erzeugt wird, dient dann als Erpressungsmaterial.
Die Erpressung mit vermeintlich vorhandenen, gefälschten oder echten intimen Aufnahmen, ist ein weit größeres Problem als viele wahrhaben wollen. Zur Irreführung trägt bei, dass in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur von einer speziellen Opfergruppe berichtet wird: Männer, die vor laufender Kamera sexuelle Handlungen an sich selbst vornehmen. Auch wenn das sicher nicht beabsichtigt ist, tritt beim Leser dadurch häufig das Gefühl auf, die Betroffenen seien selbst (mit)schuld an ihrem Schicksal. Tatsächlich kann aber jede(r) zum Opfer werden und Scham ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Angreifer. Die Stigmatisierung des Phänomens hilft damit ausschließlich den Tätern.
Diese Vorgehensweise ist lediglich eine Variante, die sehr oft medial verarbeitet wird, was aber leider für Sextortion-Opfer nicht unbedingt hilfreich ist. In anderen Variationen dieser Masche drohen die Täter, einschlägige Fotos oder Videos des/der Ex (hiervon sind wiederum meist Frauen betroffen) zu veröffentlichen, um so Geld oder sexuelle Handlungen zu erpressen. Gemein ist allen Varianten, dass die Aufnahmen die Identifikation des Opfers ermöglichen und im Fall einer Veröffentlichung äußerst peinlich für die Betroffenen wären.
Erpressung von Kindern und Jugendlichen
Leider gibt es in diesem Zusammenhang auch Straftäter, die ganz gezielt Jugendliche und auch Kinder erpressen. Täter erschleichen sich dabei zuvor über Online-Portale das Vertrauen der Opfer. Sie spielen den idealen Ansprechpartner der meist unsicheren Jugendlichen, die sich mit ihren Problemen nicht an Eltern oder Freunde wenden wollen. Das Opfer wird zu intimen Handlungen überredet oder schlicht dazu erpresst, beispielsweise mit der Androhung von Gewalttaten gegen Familie oder Freunde. Häufig wird auch behauptet, der Täter wäre schon im Besitz entsprechenden Materials (s.u.). Das Problem kann alle Jugendliche betreffen, unabhängig ihrer sozialen Herkunft oder ihres Vertrauens zu den Eltern. Als einzige Gemeinsamkeit aller Opfer – so stellt es das FBI in seiner Analyse des Themas fest – gilt eine Zugangsmöglichkeiten zum Internet.
Einsatz moderner Technik
Die Erpresser nutzen nicht unbedingt nur tatsächlich existierende Bilder. Moderne, auf künstlicher Intelligenz basierende Techniken, die unter der Bezeichnung „Deepfake“ bekannt sind, ermöglichen das Verändern/Austauschen von Gesichtszügen in visuellen Medien. Aber auch Bildbearbeitungsprogramme und ähnliche Werkzeuge erlauben das Erstellen von täuschend echt aussehenden Peinlichkeiten. In der Pornographie-Branche werden Deep Fakes unter anderem dazu missbraucht, Prominente in Filme einzubauen – in der Regel ohne deren Wissen oder Einverständnis.
Die Technik ist mittlerweile derart ausgereift, dass sie einer breiten Masse zur Verfügung steht. Um entsprechende „Werke“ zu produzieren, benötigen Täter Fotos oder Videoschnipsel mit Gesichtsaufnahmen. Beides ist über soziale Medien auch für komplett Fremde verfügbar. Das Täterprofil reicht deshalb auch vom unreifen Teenie, der seine Fantasien auslebt, bis zum kriminellen Erpresser. Auch hier sind die Opfer in der Mehrzahl weiblich.
Die Erpressung per Hoax
Auch wenn hier verschiedene Tatmuster beschrieben wurden, die auf vorhandenen – wenn auch möglicherweise gefälschten – Aufnahmen basieren, sollten Opfer nicht automatisch davon ausgehen, dass Erpresser tatsächlich über entsprechendes Material verfügen. In vielen Fällen drohen sie nur mit der Veröffentlichung angeblicher Aufnahmen. Sie teilen dem Opfer beispielsweise per Botschaft (Mail, Messenger etc.) mit, sie hätten es beim Besuch von Ü18-Webseiten über die eingebaute Kamera des benutzten Gerätes ausspioniert, was jedoch gar nicht der Fall ist.
Regelmäßig nennen sie dabei ältere Passwörter und Benutzernamen als Beweise. Es handelt sich hierbei um echte Zugangsdaten, die aus entsprechenden Datendiebstählen bei Online-Portalen (wie LinkedIn, Facebook oder eBay) stammen. Die Botschaften enthalten sehr viele personenbezogene Informationen, die dem Opfer ein unangenehmes Gefühl vermitteln, durchschaut worden zu sein. So wird es anfällig für Erpressungsversuche.
Was ist bei Sextortion zu tun?
Für Eltern gibt es unter den Stichwörtern „Cybergrooming“ und „Sextortion“ diverse Informationsangebote. Zu empfehlen ist die EU-Initiative Klicksafe. Wenn Sie selbst oder jemand in Ihrem Vertrauenskreis Opfer geworden sind, informieren Sie bitte umgehend die Polizei. Dort kann Ihnen professionell geholfen werden. Reagieren Sie möglichst nicht auf Erpresser! Wenn dies doch schon geschehen ist, durchbrechen Sie den Kreislauf aus Reaktion und erneuten Erpressungsversuchen! Die Erpressung wird nicht von selbst aufhören.
Dieser Beitrag (wie auch schon frühere) ist zuerst im LANline Security Awareness Newsletter erschienen. Interessenten können sich hier kostenlos für den Newsletter anmelden.