Beeinflussungsoperationen

Was ist eine Beeinflussungsoperation?

Unter Beeinflussungsoperationen versteht man Operationen bzw. Kampagnen mit dem Ziel, die Entscheidungsfindung von Einzelpersonen und Staaten zu beeinflussen. Zu diesem Zweck verbreiten die Akteure Falschnachrichten oder lassen vertrauliche Informationen über bestimmte Organisationen durchsickern. So stiften sie Verwirrung und Misstrauen. Dieser Artikel beschreibt mögliche Ziele und verschiedene Verfahren solcher Einflussnahmeoperationen.

Überblick über Beeinflussungsoperationen

Beeinflussungsoperationen sind Kampagnen, die darauf abzielen, die Wahrnehmung oder das Verhalten einer Zielperson oder -gruppe absichtlich zu verändern, um ein bestimmtes politisches, soziales oder wirtschaftliches Ziel zu erreichen. Sie werden auch als „Einflussoperationen“, „Einflussnahmeoperationen“ oder „Influence Operations“ bezeichnet. Indem sie in die öffentliche Meinung eingreifen, können sie das Ergebnis bestimmter politischer Vorhaben und Wahlen beeinflussen und die Zersplitterung der Bevölkerung beschleunigen. Sie stellen somit eine große Bedrohung für Demokratien dar. Das Taiwan Fact Check Center hat beispielsweise festgestellt, dass während der Präsidentschaftswahlen in Taiwan im Januar 2024 gefälschte Videos von Kandidaten erstellt und Desinformationen über die Wahlsituation verbreitet wurden.

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Warnungen des Taiwan Fact Check Center vor gefälschten Inhalten

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass diese Beeinflussungsoperationen in reifen Demokratien mittlerweile praktisch an der Tagesordnung sind. Ein Grund dafür ist die gute Kosteneffizienz aus Sicht der Akteure.

Nutzen für Akteure
  • Wirtschaftliche Effizienz: Einflussnahmeoperationen können zu wesentlich geringeren Kosten durchgeführt werden als militärische Aktivitäten.
  • Geringeres Risiko: Es kommt nicht zu offensichtlichen Sach- oder Personenschäden und die Attribuierung ist schwierig, sodass diplomatische Konsequenzen eher unwahrscheinlich sind.
  • Technologische Möglichkeiten: Fortschritte im Bereich der generativen KI und die anhaltende Beliebtheit Sozialer Netzwerke ermöglichen es, noch überzeugendere Inhalte an ein breites Zielpublikum auszuspielen.
  • Große Einflussmöglichkeiten: Es ist möglich, die Entscheidungsprozesse feindlicher Staaten oder Gruppen indirekt zu manipulieren, um wichtige politische oder soziale Ziele zu erreichen.

Darüber hinaus werden in Zeiten sozialer Unruhe und globaler Instabilität aufgrund von Pandemien, Naturkatastrophen und Konflikten immer mehr Informationen aus gegensätzlichen Perspektiven verbreitet. Das ermöglicht die effektive Entwicklung von Beeinflussungsmaßnahmen gegen bestimmte politische Maßnahmen oder Ideen. Insbesondere die Außenpolitik ist in den letzten Jahren durch geopolitische Spannungen, wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen Staaten und politische, ethnische und religiöse Konflikte komplexer geworden. Das macht eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber Einflussoperationen weltweit nötig.

Ablauf einer Beeinflussungsaktion

Wie läuft eine Beeinflussungsoperation ab? Die „Vulkan Files“, im Jahr 2023 durch investigative Journalisten veröffentlichte Dokumente, zeigen, wie staatliche russische Akteure mit Privatunternehmen zusammenarbeiten. Darin wird das Programm „Amesit“ beschrieben, das für die Durchführung gezielter Beeinflussungsoperationen entwickelt wurde.

Akteure, die „Amesit“ nutzen, beginnen mit der Sammlung von Informationen. Sie überwachen beispielsweise Nachrichtenportale, Soziale Netzwerke, Blogs und Foren auf bestimmte Stichwörter, um zu verstehen, wie über diese Themen gesprochen wird. Basierend auf dieser Analyse identifizieren sie geeignete Botschaften, Arten von Inhalten, Verbreitungskanäle, usw. für eigene Aktivitäten. Inhalte können Texte, Bilder, Video und Audio in verschiedenen Formaten umfassen. Zur Verbreitung dieser Inhalte besteht bei Amesit die Vorgabe, mindestens 100 verschiedene Konten in sozialen Netzwerken verwalten zu können.

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Ablauf einer Einflussnahmeoperation

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Beispiel für gefälschte Konten in Sozialen Netzwerken, die mit Amesit erstellt wurden (aus den „Vulkan Files“)

Amesit beschreibt auch Übungen für Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen wie Eisenbahn- und Pipelinesysteme, und es ist anzunehmen, dass der Plan darin bestand, diese mit Cybersabotage (physische Zerstörung durch Cyberangriffe) zu kombinieren, um Beeinflussungsoperationen durchzuführen. Es steht zu befürchten, dass die Kombination aus Cybersabotage und Beeinflussungsoperationen zur Zerstörung kritischer Infrastrukturen führen und in einer Zeit, in der die Bürger in Aufruhr sind, Unruhen und Misstrauen gegenüber der Regierung hervorrufen könnte.

Bei Operationen zur Einflussnahme verwendete Inhalte

Es gibt drei Hauptkategorien von Inhalten, die für Beeinflussungsoperationen genutzt werden: Fehlinformationen, Desinformationen und Malinformationen.

Fehlinformationen:

Falsche Informationen, die aber nicht mit der Absicht erzeugt wurden, Schaden zu verursachen. Diese werden zwar nicht absichtlich erstellt, bereits existierende Fehlinformationen können jedoch bewusst verbreitet werden, beispielsweise um Unsicherheit und Ängste zu schüren.

Beispiele sind falsche historische Fakten, irreführende Statistiken, falsch zugeordnete Zitate, usw.

Desinformationen:

Falsche und zielgerichtet erzeugte Information, um einer Person, sozialen Gruppe, Organisation oder einem Land zu schaden. Zum Beispiel wurde während der Invasion in der Ukraine ein gefälschtes Video auf Facebook gepostet, in dem der ukrainische Präsident Selenskyj Soldaten und Bürger dazu aufrief, sich der russischen Seite zu ergeben. Hochpräzise Video- und Audio-Desinformationen mit Hilfe von Deepfakes sind für Menschen immer schwerer als Fälschung zu erkennen.

Beispiele: Politische Propagandavideos mit Deepfakes, Bilder von Terroranschlägen o.ä., gefälschte Statistiken und Forschungsergebnisse.

Siehe auch: Surging Hype – An Update on the Rising Abuse of GenAI

Malinformationen:

Auf Wahrheit beruhende Informationen, die genutzt werden, um einer Person, einer Organisation oder einem Land zu schaden. Dies gilt für Inhalte, die absichtlich aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen werden, um Missverständnisse hervorzurufen, zum Beispiel böswillig verkürzte Ausschnitte politischer Äußerungen. Solche Inhalte können als Katalysator für die Verschärfung von Konflikten zwischen bestimmten Gruppen dienen oder Unzufriedenheit mit der Regierung fördern.

Beispiele umfassen negative Nachrichten wie eine Verschlechterung der Sicherheitslage oder Berichte, die Fakten stark übertreiben oder wichtige Details auslassen.

Beeinflussungsoperationen nutzen im Regelfall mehrere Arten solcher Falschinformationen: In einem Beispielszenario können Fehl- und Malinformationen verwendet werden, um Ängste zu wecken, und dann durch gezielte Desinformationen eine bestimmte Meinung verstärkt werden. Insbesondere werden solche Inhalte genutzt, die mit Wut oder Angst verbunden sind und bei Menschen eine emotionale Reaktion auslösen.

Verbreitungswege für Inhalte

Die Verbreitung erfolgt hauptsächlich über gefälschte Konten in sozialen Netzwerken, wie im Amesit-Beispiel dargestellt. Zu den Fake-Accounts gehören solche, die sich als echte Personen wie Regierungsbeamte ausgeben, gefälschte Seiten großer Nachrichtenportale oder solche, die echte Organisationen oder Unternehmen imitieren. Untersuchungen von Trend Micro haben außerdem gezeigt, dass es Dienste gibt, die eine große Anzahl dieser gefälschten Konten erstellen. Diese werden unter anderem im Cyber-Untergrund von und für Cyberkriminelle angeboten. Sie stellen auch die für eine Registrierung benötigten E-Mail-Adressen und Telefonnummern zur Verfügung. So können Inhalte einfach mittels einer großen Zahl gefälschter Konten verbreitet werden.

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Weboberfläche von Kopeechka, einem Dienst zur Erstellung von Konten für soziale Netzwerke (Quelle: Trend Research)

Neben Sozialen Netzwerken sind auch gefälschte Medien eine Plattform zur Verbreitung von Inhalten. Akteure richten Websites ein, die genauso aussehen wie diejenigen großer Zeitungen und anderer Medienhäuser. Dort veröffentlichen sie Artikel, welche die Emotionen der Leser anheizen sollen. Bei der Verbreitung dieser Artikel auf Social Media werden die Benutzer zu der Annahme verleitet, dass diese von echten Medienseiten stammen. Trend Micro hat mehrere gefälschte Websites großer europäischer Medienunternehmen entdeckt, die von Nutzern in Europa aufgerufen werden.

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Gefälschte Website, die die britische Zeitung „The Guardian“ imitiert und Desinformation verbreitet.

Webdienste wie Online-Petitionen können ebenfalls als Mittel zur Verbreitung von gefälschten Inhalten genutzt werden. Online-Petitionen sind ein mächtiges Instrument zur Förderung von Anliegen im öffentlichen Interesse. Sie können aber auch die soziale Spaltung fördern. Bestimmte Unterschriftenkampagnen sind so konzipiert, dass sie einseitig an Emotionen appellieren und als Katalysator für Konflikte dienen. Die Teilnahme an Unterschriftenkampagnen wirkt zudem wie eine Bestätigung der bestehenden Überzeugungen und Werte einer Person und kann deren Voreingenommenheit verstärken. So hat die Unterschriften-Website Change.org bestätigt, dass seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine mehrere Petitionen gestartet wurden, welche die deutsche Bundesregierung für ihre Politik der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter kritisieren.

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Im Petitionstext wird die Bundesregierung dafür kritisiert, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen und somit angeblich die eigenen Bürger „an den Rand von Armut und Hunger“ zu drängen.

Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Influence Operations

Diese Operationen sind äußerst schwierig zu bekämpfen. Wenn beständig Fehl-, Mis-, und Desinformationen über verschiedene Kanäle ausgespielt werden, ist es für Empfänger schwierig, nachzuvollziehen, welche Nachrichten wahr und welche manipuliert sind. Erhalten Menschen Informationen, die mit ihren eigenen Überzeugungen und Meinungen übereinstimmen, neigen sie außerdem zu Bestätigungsfehlern (engl. „Confirmation Bias“). Das heißt sie unterstützen die Informationen, ohne zuvor zu prüfen, ob diese wahr oder falsch sind.

Wenn solche Schwachstellen in der menschlichen Psyche ausgenutzt werden, nehmen immer mehr Personen extreme Positionen zu bestimmten Themen ein. Das macht es für Menschen mit unterschiedlichen Meinungen schwierig, die Positionen der anderen zu verstehen.

Darüber hinaus werden von den Algorithmen der Sozialen Netzwerken solche Inhalte bevorzugt behandelt, die für die Nutzer wahrscheinlich von Interesse sind. Das soll ihr Engagement maximieren. Im Gegenzug bedeutet dies, dass ihnen häufig Informationen ausgespielt werden, die ihren Meinungen und Interessen entsprechen.

So sinkt die Wahrscheinlichkeit, mit anderen Standpunkten konfrontiert zu werden. In solchen „Filterblasen“ kommt es leicht zu einer Verstärkung von Bestätigungsfehlern. Zudem können Menschen unbewusst Beeinflussungsoperationen unterstützen, wenn sie voreingenommene Meinungen verbreiten, die sie für richtig halten.

Für solche potenziellen Angriffspunkte in der menschlichen Psyche gibt es keine schnellen Lösungen. Die allgemeine Medienkompetenz zu fördern und Meinungspluralität in der Bevölkerung zu sichern erfordert langfristiges Engagement.

Welche Gegenmaßnahmen können betroffene Organisationen ergreifen?

Immer wieder werden auch Unternehmen und Behörden zum Ziel von Beeinflussungsoperationen. Die Wahrscheinlichkeit, Gegenstand von Falschinformationen zu werden oder zur Verbreitung solcher Kampagnen genutzt zu werden, ist in diesen Bereichen besonders hoch:

  • Behörden und öffentliche Einrichtungen aller staatlichen Ebenen stehen als Subjekte staatlichen Handelns im besonderen Interesse.
  • Wie oben beschrieben, werden Websites und Konten in Sozialen Netzwerken, die sich als Medienunternehmen wie Zeitungen, Fernsehsender und Online-Portale ausgeben, regelmäßig zur Verbreitung von Falschinformationen genutzt.
  • Versorgungsunternehmen, die kritische Infrastrukturen wie die Strom-, Gas- und Wasserversorgung betreiben und als solche sicherheitsrelevant sind, sind ein beliebter Gegenstand von manipulierten Nachrichten.
  • Die Stabilität der Finanzmärkte ist von großer Bedeutung für Wohlstand und öffentliche Sicherheit. Deshalb ist im Finanzwesen besonders mit Beeinflussungsoperationen zu rechnen, welche die Manipulation von Märkten und die wirtschaftliche Destabilisierung zum Ziel haben.

Welche Maßnahmen sollten Organisationen also ergreifen, um Beeinflussungsoperationen entgegenzuwirken?

Vorbeugende Maßnahmen

Ein ständiges Monitoring von Sozialen Netzwerken und konventionellen Medien ist wichtig, um die Verbreitung von Falschinformationen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Zudem sind Unternehmen und Behörden gut beraten, vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Stakeholdern aufzubauen, indem sie regelmäßig und transparent über ihre Aktivitäten kommunizieren.

Notfallmaßnahmen

Wenn sich die Verbreitung von Fehlinformationen oder falschen Angaben bestätigt, müssen betroffene Einrichtungen schnell reagieren und korrekte Informationen bereitstellen. Indem Organisationen proaktiv mit ihren Stakeholdern kommunizieren – bis hin zu persönlichen Einzelgesprächen – können sie zudem ihre Glaubwürdigkeit erhalten.

Da es für Unternehmen allein schwierig ist, grundlegende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollten sie Unterstützung durch staatliche Stellen suchen. Mit zunehmender Bedrohung durch Beeinflussungsoperationen sollten auch präventive politische und regulatorische Maßnahmen in Betracht gezogen werden.